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Ein paar Worte zum Thema Allergie und wie man das jeweils entscheidende Allergen identifiziert

In aller Kürze:
Allergien sind unverhältnismäßige Reaktionen des Immunsystems auf (meist) harmlose Stoffe wie Lebensmittel, Pollen, Tierhaare oder Insektengifte. Die Wirkung reicht von etwas lästig bis tödlich. Das tatsächlich auslösende Allergen wird entweder durch Konfrontationstests oder durch Bluttests diagnostiziert. Bei letzter wird die Menge an Allergen-spezifischen IgE-Antikörpern gemessen wird.

Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen ist übertrieben und kann sogar gefährlich sein. Doch genau das macht das Immunsystem vieler Menschen mit völlig harmlosen Stoffen, wenn es gewissermaßen „entscheidet“, eine solche Verbindung als Allergen zu betrachten. Warum nimmt unser Immunsystem schließlich diese unglückliche Wendung? Es könnte viel über die Auswirkungen des Erbes, der Hygiene, psychologischer Faktoren und vieler hochkomplexer und verwirrender molekularer und zellulärer Details gesagt werden. Tatsächlich kennt man den entscheidenden Angelpunkt, der einen harmlosen Stoff für unser Immunsystem in ein Ziel der Vernichtungswut verwandelt, aber noch nicht. 1906 prägte der Wiener Arzt Clemens von Pirquet den Begriff „Allergie“ und es wäre nun eigentlich an der Zeit, dieses Phänomen vollständig zu verstehen. Bis dahin müssen wir uns damit begnügen, die Auslöser einer Allergie zu identifizieren und ihre schädlichen Auswirkungen zu dämpfen. Manchmal wird eine Allergie als unbedeutende Befindlichkeitsstörung betrachtet. Die Wahrheit ist allerdings die, dass Allergien nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Sie können zu klinisch relevantem Asthma führen und allzu oft sogar zum Tod. Tatsächlich stehen stechende Insekten auf der Liste der von Tieren verursachten Todesfälle ganz oben - vor Bären, Wölfen oder Schlangen, zumindest auf der Nordhalbkugel.

Medizinische Definition von Allergie

Es ist hier wohl angebracht mit einem kleinen Einblick in die molekulare Immunologie zu beginnen. „Dank“ Covid-19 sollte dies nicht so abschreckend sein, da der Begriff Antikörper heutzutage sehr geläufig ist. Antikörper sind ein relevanter Teil unserer Abwehr von Krankheitserregern, egal ob es sich dabei um Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten oder entarteten Zellen unseres eigenen Körpers (aus denen eventuell Krebs entstehen kann) handelt. Der andere Arm besteht aus Immunzellen, die wir ungeachtet ihrer Bedeutung vorerst ignorieren.
Antikörper werden auch als Immunglobuline bezeichnet. Jedes Immunglobulinmolekül ist strikt spezifisch für ein bestimmtes Antigen – ein Molekül, das von Immunglobulin/Antikörper erkannt und gebunden wird. Das Antigen selbst ist normalerweise ein Protein, das sich z.B. auf der Oberfläche eines Bakteriums oder Virus befindet. Unser Blut birgt unzählige Millionen oder Milliarden verschiedener Antikörper, die alle nur darauf warten, auf „ihr“ Antigen zu treffen, um uns gesund und am Leben zu erhalten.

Gelegentlich ist das Antigen aber ein Kohlenhydrat. Seit vielen Jahrzehnten ist bekannt, dass sich Bakterien mit einer dicken Polysaccharidschicht umgeben. Mikroben können auf der Grundlage der überraschend unterschiedlichen Strukturen solcher Polysaccharide unterschieden werden, und der an Säuglinge verabreichte Impfstoff gegen Haemophilus influenzae Typ B basiert auf einem solchen Polysaccharid.
Die Kohlenhydrate auf Proteinen können in bestimmten Fällen ebenfalls immunogene Determinanten darstellen, und darum geht es im Wesentlichen auf dieser Homepage.

 

Die fünf Antikörperklassen dargestellt im Verhältnis zu ihrer Häufigkeit im Serum. Die beiden Spitzen, welche durch die leichte und die schwere Kette gebildet werden, repräsentieren zwei Bindungsstellen für das Allergen. Sie sind für einen bestimmten Antikörper identisch. Die fünf Klassen unterscheiden sich in der Struktur ihrer schweren Kette.

Antikörper, auch Immunglobuline genannt, treten in verschiedenen Typen, sogenannten Klassen, auf. Die Klasse der Immunglobuline G, abgekürzt IgG, ist für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit am bedeutendsten. Allerdings ist auch immer eine kleine Menge von Antikörpern vom Typ Immunglobulin E (= IgE) in der Nähe. Normalerweise spielen diese Sonderlinge keine Rolle. Aber irgendwann einmal kann die Menge an IgE gegen ein bestimmtes Antigen explodieren und kann dann nicht mehr durch IgG gezähmt werden. In dieser Situation bleibt die Begegnung mit dem Antigen, das von diesem IgE gebunden werden kann, nicht mehr unbemerkt und führt zu einer oder mehreren der typischen Manifestationen einer allergischen Reaktion wie Heuschnupfen mit laufender Nase und roten Augen, Dermatitis, Asthma, und –  im äussersten Fall  – zum anaphylaktischer Schock. Dies ist ein plötzlicher Blutdruckabfall, der schließlich zum Tod führen kann, wenn nicht sofort gegengesteuert wird. Diese unangenehmen Wirkungen werden in Zusammenarbeit mit einer bestimmten Art von Immunzellen, den sogenannten Mastzellen, erreicht, die sich in unserer Haut und Schleimhaut befinden. Wahrscheinlich ist die eigentliche Aufgabe des IgE-Mastzellsystems die Bekämpfung von Hautparasiten. Was sicherlich richtig ist: Beim Auftreffen eines Allergens auf IgE-beladene Mastzellen platzen (degranulieren) diese Zellen und setzen neben anderen Kampfstoffen die berüchtigte Substanz Histamin frei. Histamin bewirkt nun die unangenehmen Symptome einer allergischen Episode, und zwar indem es andere, benachbarte Zellen des Immunsystems anspricht. Die Türklingel dieser Zellen kann durch Antihistaminika zum Schweigen gebracht werden, ein Medikament, das jedem Allergiker bekannt ist.

Entwicklung einer Allergie

Wenn wir zum ersten Mal das Licht der Welt erblicken, ist IgE kein Problem und bei viele von uns wird sich dies im Lauf des ganzen Lebens nicht ändern. Bei manchen beeinträchtigt jedoch entweder schon kurz nach der Geburt, in der Kindheit oder Jugend oder noch viel später ein zunächst unbemerktes Ereignis die Lebensqualität. Dies ist die sogenannte „Sensibilisierung“. Wie bereits erwähnt, weiß niemand genau, warum es bei einer bestimmten Person und Zeit zu einer Sensibilisierung gegen dieses Allergen kommt. Tatsache ist, dass eine Sensibilisierung zu einem starken Anstieg der IgE-Menge gegen dieses spezielle Allergen führt. Während dieses erste entscheidende Ereignis unbemerkt bleiben kann, werden zukünftige Begegnungen mit diesem Allergen den Allergiker für die kommenden Jahre, oft für immer, quälen. Verschiedene Allergene neigen dazu, etwas unterschiedliche allergische Symptome hervorzurufen. Pollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben verursachen Symptome wie Heuschnupfen, die sich mit der Zeit zu schwerem Asthma entwickeln können. Lebensmittel können Übelkeit, Hautjucken und andere eher allgemeine Symptome verursachen. Insektenstiche können ebenfalls eher Allgemeinsymptome bis hin zu Kreislaufproblemen hervorrufen. Insektengifte und bestimmte Lebensmittel, insbesondere Erdnüsse und einige andere Nüsse, können schließlich zu einem anaphylaktischen Schock führen – einem möglicherweise tödlichen Ereignis. Personen mit solchen Allergien sind gut beraten, ein Notfallset griffbereit zu haben, das im Wesentlichen aus einer leicht anwendbaren Spritze mit Adrenalin besteht. Über mögliche Ausweichstrategien, insbesondere bei Neugeborenen und Kindern, ließe sich viel sagen, aber hier ist nicht der Ort, um über Babyernährung, Erbfaktoren oder die Hygienehypothese zu diskutieren, so interessant diese Elemente auch sein mögen. Was wir hier beachten sollten, ist, dass für einige Allergene die Vermeidung dieses speziellen Allergens eine ziemlich einfache Abhilfe darstellt. Pflanzliche Lebensmittel von Getreide über Hülsenfrüchte zu Gemüse und Obst kann man aber nicht pauschal vermeiden. Diese scheinbar triviale Aussage hat möglicherweise eine relevante Auswirkung auf das Thema, das den Kern dieser Website und unseres kleinen Unternehmens ausmacht.

Die chemische Natur von Allergenen

Allergene begegnen uns als mehr oder weniger handliche Dinge wie Katzen, Garnelen, Äpfel oder – etwas weniger handlich – Pollen, Schimmelstaub oder Milbenschuppen. Die eigentlichen Akteure bei diesen Allergenen sind jedoch (meistens) Proteine. Meistens – aber nicht immer – sind die Hauptproteine eines Allergens auch für die allergischen Symptome verantwortlich. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden die meisten dieser Proteine – die sogenannten Komponenten – für die relevanten Allergene identifiziert. Viele dieser Allergenverbindungen sind Proteine, die neben Aminosäuren auch komplexe Zuckerketten enthalten. Diese „Glykoproteine“ sind – wiederum – das Herzstück dieser Website und unseres kleinen Unternehmens und verdienen daher ein eigenes Kapitel.

Viele dieser Allergenverbindungen sind Proteine, die – neben Aminosäuren – komplexe Zuckerketten enthalten. Diese "Glykoproteine" stehen im Fokus dieser Website und unseres kleinen Unternehmens und verdienen daher ein eigenes Kapitel.

Art der Testmaterialien: Die linke Seite zeigt die Extraktion der gesamten Mischung allergener Proteine aus Pollen, Lebensmitteln oder anderen Materialien. Die rechte Seite zeigt die Herstellung einzelner Allergenkomponenten (=Proteine) mittels rekombinanter DNA-Technologie. Ein spezieller - und seltenerer - Fall ist die Isolierung einzelner Proteine aus Mischungen, wie sie durch die Extraktion natürlicher Allergene entsteht.

Identifikation des auslösenden Allergens

Das ursächliche Allergen finden:  Die wichtigsten Optionen sind Provokationstests und die Bestimmung des allergenspezifischen IgE (sIgE). Der Vollständigkeit halber werden auch Optionen angeführt, bei denen im Wesentlich Evidenz durch Vorstellungskraft ersetzt wird.

Das ursächliche Allergen finden:  Die wichtigsten Optionen sind Provokationstests und die Bestimmung des allergenspezifischen IgE (sIgE). Der Vollständigkeit halber werden auch Optionen angeführt, bei denen im Wesentlich Evidenz durch Vorstellungskraft ersetzt wird.

Die Frage „Habe ich eine Allergie und was ist der Auslöser?“ ist alles andere als trivial zu beantworten. Substanzen können aus verschiedenen Ursachen zu unangenehmen Effekten führen. Im Folgenden beschäftigen wir uns mit Allergien im engeren Sinne – sogenannten Typ-I-Allergien – bei denen die Bindung eines Allergens durch spezifisches IgE zu den oben beschriebenen Wirkungen führt. Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Nickelallergien – so lästig sie auch sein mögen – fallen nicht in diese Kategorie. Selbstbeobachtung und ärztliche Beratung (auch bekannt als Anamnese) liefern oft wertvolle Informationen. Zur weiteren diagnostischen Abklärung und Absicherung stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen Konfrontation des Patienten mit dem Allergen entweder durch Jucken der Allergene in der Haut (Haut-Prick-Test) oder durch Verabreichung verdächtiger Nahrungsmittel unter ärztlicher Kontrolle (oraler Provokationstest). Solche Tests können sehr aussagekräftig sein, sind aber zeitaufwändig und auf wenige Allergene beschränkt. Hier setzt die serumbasierte Allergiediagnostik an, bei der eine sehr kleine Blutmenge eines Patienten auf Sensibilisierung gegen viele, schließlich über hundert Allergene untersucht werden kann.
Serum, Blut, was? Wenn Blut mit Luft in Kontakt kommt, z.B. im Verlauf einer Verletzung beginnt es sofort zu gerinnen und verschließt so die Wunde. In ähnlicher Weise wird eine Blutprobe innerhalb der gegebenen Zeit gerinnen, wenn kein Gerinnungsinhibitor hinzugefügt wird. Die Zentrifugation von geronnenem (auch bekannt als gestocktem) Blut ergibt einen roten Bodensatz, der alle Blutzellen entält, und eine gelbliche Flüssigkeit namens Serum. Die ersten serumbasierten Tests arbeiteten mit Allergenen, die an kleinen Zelluloseschwämmen fixiert waren. Ein Test misst jeweils die Reaktion auf ein Allergen. Aus wirtschaftlichen Gründen konnte und darf nur eine begrenzte Anzahl von Tests für einen Patienten verordnet werden. Es wird jedoch allgemein angenommen, dass diese Tests eine hohe quantitative Genauigkeit bieten. Im letzten Jahrzehnt wurden Systeme entwickelt, welche die Serumprobe gleichzeitig mit mehreren Allergenen konfrontierten. Dies kann mit Streifentests mit bis zu 20 verschiedenen Allergenen realisiert werden. Die raffinierteste Umsetzung dieses Prinzips sind Allergen-Arrays, bei denen weit über hundert winzige Punkte mit Serummengen im Sub-Milliliter-Bereich inkubiert werden. Solche Tests enthalten routinemäßig nicht nur herkömmliche Allergenextrakte, sondern beherbergen einzelne Allergenkomponenten. Das Wissen, gegen welches bestimmte Protein ein Patient sensibilisiert ist, gibt oft wertvolle Hinweise auf die klinische Relevanz dieses Allergens. Offensichtlich wird die Interpretation der Ergebnisse zu einer eigenen Wissenschaft und wird daher in der Regel von Software unterstützt. Ebenso sind diese High-End-Array-Tests natürlich auch in puncto Kosten high-end. Es sei jedoch erwähnt, dass diese Tests keine einfache Ja/Nein-Antwort liefern. Entscheidend ist die Menge an IgE, die für ein bestimmtes Allergen oder eine Allergenkomponente vorhanden ist, und selbst dann kann eine Diskrepanz zwischen einer Sensibilisierung und einer echten Allergie gegen ein bestimmtes Allergen bestehen. Ein Ansatz zur Klärung ist die Anwendung von Tests, die die Reaktion von IgE-beladenen Zellen messen. Der Basophilen-Aktivierungstest (BAT) nutzt basophile Zellen aus dem Blut des Patienten, die Mastzellen ähnlich sind. Sie tragen ebenfalls IgE auf ihrer Oberfläche und platzen bei Kontakt mit einem Allergen. Somit ahmt der BAT Provokationstests nach, da er die zelluläre Reaktion und nicht nur die Bindung von IgE an ein Allergen misst, unabhängig von der tatsächlichen Potenz, allergische Symptome hervorzurufen. Ein Vorteil gegenüber üblichen Provokationstests, insbesondere oralen Provokationstests, besteht darin, dass der Patient nur im 1-Sekunden-Moment der Blutentnahme involviert ist. Die Immunzellen des Patienten sind dennoch von ihrer natürlichen Umgebung isoliert, insbesondere von löslichem IgG, und daher sind BAT-Ergebnisse möglicherweise nicht zu 100 % mit echten Provokationstests vergleichbar. Dies führt zu dem Thema „Allergie-Nachahmer“ bzw. Ursachen für falsch-positive Allergiediagnosen, die auf der Seite „Das CCD-Problem“ behandelt werden.