Kreuzreaktive Kohlenhydrat-Determinanten (CCDs) stiften Verwirrung in der Allergiediagnostik
Pflanzen- und Insektenallergene enthalten Glykoproteine mit kreuzreaktiven Kohlenhydrat-Determinanten (CCDs). Diese kommen in so gut wie allen Allergenen von Pflanzen und Insekten vor, rufen aber keine nennenswerten Symptome hervor. Daher ist die serumbasierte Allergiediagnostik bei Patienten mit IgE gegen CCDs anfällig für falsch-positive Ergebnisse.
Das Prinzip der Messung
Das Prinzip der serumbasierten Allergiediagnostik besteht darin, dass ein Vorhandensein einer nennenswerten Menge an für ein Allergen spezifischem IgE einen allergischen Status gegenüber diesem Allergen anzeigt. Diese wunderbar einfache Ansicht wurde jedoch in den letzten Jahrzehnten zahlreichen Verfeinerungen, Modifikationen und Ergänzungen unterzogen. Es stellte sich heraus, dass ein positives Laborergebnis allzu oft der Erfahrung eines Patienten widersprach, was deren/dessen Reaktion auf dieses spezielle Allergen anbelangt. Erklärungen dieses Phänomens drehen sich im Wesentlichen um zwei Ideen, schwache Bindung einerseits versus Toleranz andererseits. Letzteres scheint bei CCDs der Fall zu sein.
a) Schwache Bindung: Die Bindung von IgE an ein Allergenmolekül kann unterschiedlich sein (wissenschaftlich ausgedrückt: die Bindungsaffinität)
Ein offensichtlicher Grund dafür kann das Phänomen sein, dass nahe verwandte Arten Proteine bilden, die sich nur geringfügig unterscheiden und daher von denselben Antikörpern gebunden werden – wenn auch mit unterschiedlichem Grad an „Begeisterung“ (von Wissenschaftlern Affinität genannt). Das ähnlich „aussehende“ Protein beispielsweise aus Apfel kann durch IgE gebunden werden, welches ursprünglich gegen ein Birkenpollenprotein gebildet wurde. Typischerweise ist diese Art von Kreuzreaktivität durch eine schwächere Reaktion auf das verwandte Allergen im Vergleich zum ursprünglichen Auslöser gekennzeichnet.
So reagieren viele Pollenallergiker auf Äpfel (Sellerie, Pfirsiche …) mit meist eher mäßig starken Beschwerden, dem sogenannte oralen Allergiesyndrom. Für wieder andere Patienten ist diese Liaison zwischen dem Anti-Birken-IgE und dem Apfel, Sellerie und anderen Allergenen schwach genug, um die Person vor jeglichen Symptomen zu bewahren. Die Bindung wird in jedem Fall dennoch stark genug sein, um ein positives Ergebnis eines sIgE-Tests zu bewirken. Diese Art von irreführenden falsch-positiven Ergebnissen ist normalerweise auf kleine Gruppen von phylogenetisch verwandten Allergenen beschränkt, und der Arzt, der die Ergebnisse auswertet, wird diese Situation oft lösen können.
b) Toleranz: Wenn IgE gegen ein bestimmtes Antigen klinisch irrelevant ist.
Antigene, die für dieses Phänomen verantwortlich sind, wurden als „Nachahmer der Allergie“ ("mimickers of allergy") bezeichnet. Solche klinisch irrelevanten IgE-Targets können bestimmte Proteine mit begrenztem Vorkommen sein. Deutlichere, aber auch wesentlich komplexere Ergebnisse liefert die komponentenaufgelöste Diagnostik, bei der eine Reihe einzelner Proteine eines Allergens mit Array-Systemen separat getestet werden (Stichworte: ISAC, Alex). Das überaus wichtigste Beispiel für ein klinisch irrelevantes Molekül ist jedoch eine Gruppe von Kohlenhydratstrukturen, die als „kreuzreaktive Kohlenhydratdeterminanten“ bekannt sind, abgekürzt CCDs (Referenz 1, Referenz 2).
Kreuzreaktive Kohlenhydrat-Determinanten (CCDs)
Proteine lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: Die einen bestehen nur aus Aminosäuren und die anderen tragen zusätzlich eine Art Dekoration aus ungewöhnlichen Zuckern. Diese komplexen Strukturen haben wenig Ähnlichkeit mit dem Zucker, den Sie in Ihren Kaffee geben – oder den Sie vielleicht aus Gründen Ihrer Figur und Gesundheit eben nicht in den Kaffee geben. Darüber hinaus gibt es diese Dekorationen je nach Herkunft des Proteins in verschiedenen „Geschmacksrichtungen“. Säugetiere und damit (ich hoffe, Sie haben nichts gegen diese Verwandschaft) wir Menschen produzieren diese sogenannten N-Glykane auf eine andere Weise als Pflanzen und Insekten. Wissenschaftlicher ausgedrückt unterscheidet sich die Art der Fucose-Bindung an den Zuckerrest, der an das Protein gebunden ist (siehe Abbildung unten). Es gibt noch weitere feine Unterschiede, aber das Vorkommen von „core alfa-1,3-gebundener Fucose“ auf Proteinen von Pflanzen und Insekten ist der eine entscheidende Unterschied (rote Pfeile in der Abbildung unten) (Referenz 3). Diese unterschiedliche Fucose-Position verleiht dem gesamten Zuckermolekül ein Aussehen, das unser Immunsystem in Aktion ruft. Genauer gesagt hat etwa ein Viertel aller Allergiker nennenswerte Mengen an IgE, das gegen solche Glykane, also gegen CCDs, gerichtet ist.
Der Xylose-Rest, der in unseren eigenen Glykoproteinen nicht vorkommt, kann – in sehr seltenen Fällen – ebenfalls beitragen. Terminale Substitutionen wie in MGnXF3 (siehe unten) spielen wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle. Bemerkenswerterweise hat das Vorhandensein oder Fehlen der 3-verknüpften Mannose bestenfalls einen marginalen Einfluss auf die Bindungsaffinität. Somit können Reagenzien zum Nachweis oder Blockieren von Anti-CCD-IgE entweder MMXF- oder MUXF-Strukturen enthalten. Der aktuelle Proglycan CCD-Blocker enthält im Wesentlichen MUXF3. Tausende von Anwendungen zeigen seine Wirksamkeit. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass bei manchen Allergenen andere Strukturen noch wirksamer sind. Die Aufklärung dieser Frage ist ein wichtiges Forschungsziel des Proglycan-Teams.
Eine ganz andere Art der kreuzreaktiven Kohlenhydratstruktur ist die alfa1,3-Galactose, die auf Proteinen fast aller Säugetiere außer denen von höheren Menschenaffen und Menschen gefunden wird. Diese Determinante, bekannt unter Anderem als Gal-alfa-Gal-Epitop könnte bei allergischen Reaktionen auf rotes Fleisch oder Milch und Milchprodukte eine Rolle spielen. Es gibt Hinweise, dass die Sensibilisierung durch Zeckenbisse erfolgt.
CCDs lösen keine allergischen Reaktionen
Für einige Forschungen sind Kohlenhydrate intuitiv weniger relevant und weniger in der Lage, spezifisch und fest an Antikörper zu binden. Eine Quelle dafür ist – abgesehen von Unwissenheit – die tatsächlich nur mäßig starke Bindung von Lektinen an ihre Kohlenhydratbindungspartner. Die seit langem bekannte Rolle von Blutgruppendeterminanten (ABO-System) und von bakteriellen Oberflächenpolysacchariden als hochspezifisches, fest bindendes Antigen erinnerte jedoch daran, dass dies keine allgemeine Situation ist. Daher wurden Anstrengungen unternommen, um CCD-spezifisches IgE aus dem Blut der Patienten zu reinigen und seine Bindungsaffinität zur klassischen CCD-Struktur MMXF3 zu bestimmen (Referenz 4, Referenz 5).
Die Bindungsstärke der IgGs unterschied sich jedoch. Mit anderen Worten: IgGs gegen Glykan-Determinanten (CCDs) haben eine vergleichsweise viel höhere Affinität als die gegen Protein-Allergene. Nun ist aber generell die Menge an IgG viel höher als die von IgE. Wir spekulieren, dass die nicht ganz so niedrigen relativen Affinitäten, wie sie für MMF und MMXF beobachtet wurden, ausreichen könnten, um effektiv um die Bindung an diese Determinanten zu konkurrieren. Somit bleibt die Mastzelldegranulation und somit das allergische Geschehen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Einen zusätzlicher (oder dominierenden) Beitrag zur Entschärfung könnten regulatorischen T-Zellen leisten, aber es wurden noch keine Ergebnisse in dieser Richtung veröffentlicht.
Affinititäten von IgE und IgG gegen glycan bzw. Protein Epitope (Referenz 4)
MMF | MMXF | Phl p 5 | Bet v 1 | |
---|---|---|---|---|
Dissociation constant (nM) | ||||
IgE | 0.6 | 0.07 | 0.3 | 0.02 |
IgG | 2.1 | 1.1 | 1800 | 490 |
ratio | 33 | 160 | 6400 |
2200 |
Was könnte die Ursache für diesen glücklichen Umstand sein?
Wir spekulieren, dass es der unvermeidliche tägliche Kontakt mit pflanzlichen Lebensmitteln ist, der notwendigerweise als "spezifische Immuntherapie" wirkt - eine Strategie die ganz bewußt und erfolgreich auch zur De- oder Hyposensibilisierung gegen Protein-Allergene eingesetzt wird.